Spiegelneuronen

Was sind Spiegelneuronen genau und was bewirken sie?

Die Entdeckung der Spiegelneuronen gilt als eines der wichtigsten Ereignisse der 90er Jahre  (sagt z.B.der indische Neurologe Vilayanur S. Ramachandran). Mitte der 90er Jahre führten der Italiener Giacomo Rizzalatti und seine Mitarbeiter der Forschungsabteilung für Neurowissenschaften in Parma naturwissenschaftliche Versuche an Makaken-Affen durch. Quasi nebenbei wurde das Phänomen der Spiegelneuronen  entdeckt: Nervenzellen, die in der Folge unter dem Namen Spiegelneuronen (englisch: mirror neurons) nicht nur in wissenschaftlichen Kreisen auf große Beachtung stießen, sondern auch in fachübergreifende Sparten wie der Psychiatrie, Sozialpsychologie sowie in den Populärwissenschaften Eingang fanden.

Was hatten die Forscher entdeckt?

In ihren Untersuchungen war aufgefallen, dass Neuronen in einem bestimmten Gehirnareal des Großhirns einerseits dann reagierten, wenn die Affen bestimmte sogenannte zielmotorische Hand-Objekt-Interaktionen selbst durchführten, als auch, wenn sie diese bei einem anderen Wesen lediglich beobachteten. Die Neuronen des Hirnareals (F5c) reagierten nicht nur, wenn der Affe nach einer Nuss griff. Das Messgerät schlug ebenfalls aus, wenn der Affe nur beobachtete, wie ein Forscher nach der Nuss griff.

Definition Spiegelneuronen

Diese Nervenzellen, die beim reinen Betrachten eines Vorgangs das gleiche Aktivitätsmuster aufweisen, wie wenn der Vorgang selbst ausgeführt wird, nennt man Spiegelneuronen.

Es dauerte bis 2010, bis der Nachweis von Spiegelneuronen auch im menschlichen Gehirn erfolgte (Roy Mukamel und Itzhak Fried). Beim Menschen sitzen sie im Bereich des präfrontalen Cortex (Stirnlappen). Genauer: im Broca-Areal, das unter anderem mit Sprachfunktionen in Verbindung gebracht wird.

Was können Spiegelneuronen alles?

Seit ihrer erstmaligen Beschreibung im Jahr 1992 wird diskutiert, ob Spiegelneuronen auch an Verhaltensmustern von Imitation oder möglicherweise sogar Mitgefühl (Empathie) beteiligt sind.

Obwohl sich die Entdeckung der Spiegelneuronen zunächst auf Handlungen bezog, fand die Neurowissenschaftlerin Sophie Scott vom University College London im Jahr 2006 auch einen Beleg für Gefühle: Sie spielte ihren Probanden Laute vor, die verschiedene Emotionen wie Ekel, Angst, Triumph oder Freude ausdrückten. Prompt wurden die Hirnareale auch in diesen Fällen aktiv.

Spiegelneuronen funktionieren unbewusst und wirken ansteckend. Automatisch gähnen wir mit, wenn jemand anderes gähnt. Wir reden auch von einem „ansteckenden Lachen“. Spiegelneuronen fungieren also als somatisches Resonanzsystem im Gehirn.

Spiegelneuronen sind auch im Spiel, wenn wir beobachtetes Verhalten intuitiv nachahmen oder beobachtete Gefühle nachempfinden. Bei Sympathie neigen wir dazu, unsere Körpersprache unserem Gesprächspartner anzupassen, uns unbewusst „auf eine Wellenlänge“ zu begeben.

Wo werden die Erkenntnisse über Spiegelneuronen angewendet?

Bei manchen Methoden, wie z.B. dem NLP (Neurolinguistischem Programmieren), das gern in Kommunikationstrainings fürs Management, Personalwesen oder Mentaltrainings Anwendung findet, wird dieses Spiegeln der Körpersprache ganz bewusst genutzt und eingesetzt. Dieses beim NLP genannte „Pacing“, also das Nachahmen des Gegenübers, dient dazu, guten „Rapport“, also Verbindung zwischen Personen herzustellen. Schafft es ein Trainer oder Coach, seine Klienten dezent zu spiegeln, so stärkt das unbewusst deren Vertrauen.

Haben wir Vertrauen in unseren Gesprächspartner, ist mehr Offenheit vorhanden, die Informationen oder Gefühle, die unser Gesprächspartner vermitteln will, aufzunehmen. Andererseits öffnen wir uns selbst auch und können befreiter kommunizieren. Das ist gerade auch im Coaching oder Therapiebereich sehr wichtig.

Nicht umsonst gibt es in der Kommunikationswissenschaft so viele Modelle, die beschreiben, wie schwierig eigentlich Kommunikation sein kann. Das Sender-Message-Empfänger-Modell, das ich in meinem Übersetzerstudium kennenlernte, war da nur der Anfang. Zum Beispiel Friedemann Schulz von Thun mit seinem Vier-Ohren-Modell beschreibt sehr anschaulich, wie viel zu einer geglückten Kommunikation gehört. Da ist die Einbeziehung der Körpersprache hilfreich, um zusätzliche Informationen zum Gespräch beizusteuern.

Doch zurück zum Thema… ist der Hype um Spiegelneuronen noch zeitgemäß?

 In den letzten Jahren hat die Entdeckung der Spiegelneuronen viel Aufsehen erregt und es wurde  diskutiert, ob hiermit der Schlüssel für das Verständnis von Empathie, Sprache und darüber hinaus für Kultur gefunden worden sei. Auch Autismus-Symptome wurden von einigen Forschern mit einem unzureichenden Funktionieren der Spiegelneuronen in Verbindung gebracht. Die Beteiligung der Spiegelneuronen an Prozessen wie Empathiebildung und sprachliche Funktionsleistungen ist jedoch wissenschaftlich nicht endgültig erforscht bzw. ausreichend belegt. Möglicherweise, so z.B. der Neurowissenschaftler Kai Vogeley von der Uniklinik Köln, sind  Spiegelneurone nämlich selbst dann aktiv, wenn hinter Bewegungen überhaupt keine Absichten stecken. Welche Funktion Spiegelneuronen haben, sei eine offene Frage, sagt Vogeley: „Beim Menschen sind wohl zwei Netzwerke für soziale Wahrnehmung wichtig: das Spiegelneuronensystem und das soziale neuronale Netzwerk um den medialen präfrontalen Kortex.“  Das pure Vorhandensein einer neuronalen Entsprechung stelle keine Erklärung psychischer Gegebenheiten dar.

Der zunächst entstandene  Hype um das Thema Spiegelneuronen wich also im letzten Jahrzehnt eher einer sich entwickelnden Kritik an der wissenschaftlichen Belegbarkeit der weitreichenden Schlussfolgerungen, die aus der Entdeckung der Spiegelnervenzellen gezogen wurden.

Wir dürfen gespannt sein, wie die Wahrnehmung des Themas Spiegelneuronen selbst sich in den kommenden Jahren weiterentwickelt.

Inzwischen ist es ja Allgemeingut, dass Dinge nicht ohne Verbindung zu allem anderen existieren, also „alles mit allem verbunden ist“ und auch sogenannte wissenschaftliche Nachweise werden eben immer auch von der Person und dem Versuchsaufbau des Wissenschaftlers beeinflusst. Auch (natur)wissenschaftliche Bereiche sind von Weiterentwicklung und Bewusstwerdungsprozessen nicht ausgenommen. Vieles, was früher als nicht belegbar abgestritten wurde, ist heute durch modernere Methoden doch nachweisbar. So ist z.B. in der Zwischenzeit bekannt, dass Zellen sich immer wieder regenerieren bzw. sogar erneuern, sogar die Gehirnzellen.

Der Nachweis von spiegelneuronalen Systemen hat auf jeden Fall zur Bereicherung der Beschreibung von psychologischen Prozessen und Kommunikation beigetragen, die mich als Coach und Sprachwissenschaftlerin natürlich sehr interessieren.

Wer mehr „Über mich“ wissen möchte, kann dies gern auf meiner Webseite tun.

Im Folgenden möchte ich nun näher auf das Spiegeln als Kommunikationstechnik, z.B. in der Psychotherapie und dem Coaching, eingehen.

Spiegeln als Gesprächstechnik

Aktives Zuhören

Das „Spiegeln“ ist eine Methode, die besonders in den Kommunikationswissenschaften und Coaching- bzw. Therapie-Settings verwendet wird. Oft wenden Menschen das Spiegeln einfach intuitiv, also unbewusst oder automatisch an, um bestätigt zu bekommen, ob sie den anderen richtig verstanden haben. Der Zuhörer fasst also das Gehörte in eigenen Worten zusammen und fragt nach, ob das, was er gehört hat, mit dem übereinstimmt, was gesagt wurde. Dieses „aktive Zuhören“ schafft neben dem Verstehen der gesagten Worte und dem Aufdecken von eventuellen Ungereimtheiten auch ein gefühlsmäßiges Verständnis. Indem der Redner Empathie seitens des Zuhörers spürt, fühlt er sich verstanden und angenommen und kann dann fortfahren, eventuell dann auch auf einer tieferen Ebene.

Wichtig beim Spiegeln des Gesagten ist, dass sich der Zuhörer jeglicher Wertung enthält. Das Gespiegelte als Frage zurückzugeben, ist ein achtsames Vorgehen, das dem Redner die Gelegenheit bietet, Einzelheiten noch einmal konkreter zu beschreiben. Die Mimik und Gestik als Körpersprache tragen natürlich ihren Teil zur Kommunikation bei und es ist von Vorteil, wenn der Zuhörer darauf achtet. So können u.U. auch unausgesprochene Botschaften erkannt werden und dann vom Zuhörer verbalisiert werden.

NLP

Neben dem aktiven Zuhören beschreiben die Methoden des NLP die Faktoren, unter denen Kommunikation besser gelingt.

Hinter dem Anpassen der Körpersprache steckt unser menschliches Bedürfnis nach Harmonie und Symmetrie, was sich zum Beispiel auch daran ablesen lässt, dass Menschen, die sich ausgegrenzt fühlen, Gruppenmitglieder umso heftiger imitieren. Gleichzeitig übernimmt das „Verhaltensmimikry“ eine wichtige zwischenmenschliche Aufgabe: Es bildet eine Art sozialen Klebstoff.

Besonders Mikrogesten wie Lächeln, Gähnen, Nasekratzen, einen Schluck trinken wirken ungeheuer ansteckend. Folgendes konnten beispielsweise Tanya Chartrand und John Bargh schon 1999 nachweisen:

  • Ihre Probanden, die sich zum ersten Mal begegneten, ahmten Berührungen im Gesicht bereits zu 20 Prozent nach,
  • das Übereinanderschlagen von Beinen gar zu 50 Prozent – allerdings in der Regel nur wenn sich zwei Menschen mögen und verstehen (so der niederländische Psychologe Rick van Baaren von der Universität Nijmegen).

Zunächst wird die Körpersprache des Gegenübers analysiert und zu bis zu 50% durch die eigene Körpersprache reflektiert (im NLP-Jargon: Matching).

Körpersprache, Gestik, Mimik und Sprache werden zunehmend synchronisiert (Pacing).

Eine nahezu vollständige Symmetrie, also wenn beide Gesprächsteilnehmer jedes Mal durch ihr Verhalten aufeinander Bezug nehmen, nennt man Rapport.

Näheres zum Thema NLP und damit verwandten Methoden stelle ich vielleicht in einem neuen Blogartikel dar.

Resonanzphänomen

Der Bestsellerautor, Arzt und Psychiater Prof. Dr. Joachim Bauer vergleicht das Spiegeln im Gespräch mit der Resonanzfähigkeit von Musikinstrumenten. Wenn man zwei Gitarren im Raum aufstellt und eine Saite der einen Gitarre anzupft, dann schwingt bei der anderen Gitarre nach einer gewissen Zeit genau dieselbe Saite auch, ohne das sie berührt wurde. Das ist Resonanz und funktioniert auch bei Menschen so. Alles, was wir tun, löst in einem Anderen Resonanz aus. Wie sagt Herr Prof. Bauer so schön – ganz analog zum österreichischen Psychotherapeuten und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick -:  „Man kann nicht NICHT in Resonanz gehen.“

Wenn wir also in Resonanz gehen und unsere Energie ausstrahlen, Charisma haben, dann bewirken wir etwas bei unserem Gegenüber. Wir können mit unseren Gedanken und auch Gefühlen das Gegenüber anstecken, eben Resonanz erzeugen, im Guten wie im Schlechten. Wie wir in der Welt auftreten, hat eine Wirkung. Seien wir uns unserer Wirkung und Ausstrahlung bewusst.

Wenn wir dies einmal verinnerlichen, so machen auch viele Wahrheiten, die auf den ersten Blick banal wirken oder manchmal auch als esoterisch abgetan werden, Sinn:

  • Verstecke dein Licht/deine Ausstrahlung nicht, sondern zeige dich in deiner wahren Größe. Dies würde dann das Gegenüber anregen, auch in die eigene Größe zu gehen und das eigene Licht strahlen zu lassen.
  • Wie du mir, so ich dir. Oder: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus – für lange Zeit mein Lieblingsspruch!
    Wenn wir unsere besten Seiten zeigen, können wir auch in manchem Gegenüber seine gute Seite hervorbringen.
  • Think big, do bigger.
    Nur wenn wir groß denken, können wir große Ziele erreichen, auch wenn sie vielleicht nicht ganz so groß werden, wie am Anfang gedacht. Wer von Beginn an klein denkt, erreicht oft nicht einmal das. Die innere Einstellung macht’s.
  • Du kannst nicht negativ denken und Positives erwarten.

Das Resonanzphänomen ist ein Selbstverstärker: Wenn wir glauben, dass uns ein anderer mag, dann verhalten wir uns automatisch freundlicher und netter – mit dem Effekt, dass uns unser Gegenüber tatsächlich mehr mag.Umgekehrt: Wenn wir Zurückweisung fürchten, verhalten wir uns reservierter und kühler – und riskieren tatsächlich einen Korb.

„Soziale Optimisten“ haben ein solch unerschütterliches Selbstvertrauen, beliebt zu sein, dass sie es in letzter Konsequenz auch einfach sind – im Gegensatz zu den „sozialen Pessimisten“, die entsprechend einsam bleiben.

Gleich und gleich gesellt sich gern – wir suchen die sprichwörtliche gemeinsame Wellenlänge
Der Einfluss von Spiegelneuronen geht Sozialpsychologen zufolge noch weiter: Danach hat der Mensch regelrecht den Wunsch, sein Verhalten und seine Gefühle gespiegelt zu bekommen. Das lässt sich gut anhand von Großveranstaltungen, aber auch in der Art und Weise, wie wir wohnen oder uns kleiden, ablesen.

Anpassung und Angleichung drücken Verbundenheit aus.

Oft wollen wir auch zu einer bestimmten Gruppe dazu gehören – nicht selten aus einem (übersteigerten?) Harmoniebedürfnis heraus. Das wiederum führt dazu, dass wir uns in vielen Bereichen anpassen, wie etwa beim Filmgeschmack, der Mode, bei Büchern oder Musik, welchen Fußballverein wir lieben etc.

Kann man sich auch selbst spiegeln?

Wenden wir das Resonanzprinzip bzw. die aus dem Spiegeln hervorgegangene Verbundenheit einmal auf uns selbst an, nicht in Bezug auf Andere….geht das überhaupt und was passiert dann?

Wir besitzen alle eine „beste Version von uns selbst“ oder jedenfalls eine Vorstellung davon, wie die beste Version von uns selbst sein könnte. Unser inneres Selbst mit allen seinen Potentialen, Träumen, Zielen, tollen Eigenschaften, gelebten Erfahrungen, transformierten Krisen, mit all seiner Liebe, Mitgefühl, Empathie, Stärke, Mut, Kühnheit, Kraft usw. – davon wissen wir tief in uns, wenn wir liebevoll und in einem guten Moment in uns hinein fühlen.

Dieses „Alleskönner-Selbst“ können wir mit Therapien, Techniken, Meditation und anderen Methoden in uns anklingen lassen, erkennen und in Kontakt damit gehen. Es gibt so Tage, da gelingt es uns, in diesem Glücksgefühl zu sein, dass wir voll in unserer Kraft und ganz wir selbst sind. Und dann können wir auch unser „Alleskönner-Selbst“ leben, unsere Ausstrahlung zeigen und wirken lassen. Dann sind wir mit uns selbst in Resonanz und spiegeln unser innerstes Selbst.

Wie du dich mit deinem Selbst verbinden kannst, erzähle ich gern in einem nächsten Blog. Du kannst dich auch gern bei mir melden und dann schauen wir gemeinsam, welche nächsten Schritte auf dem Weg zur Resonanz mit deinem Selbst anstehen.

Ich freue mich auf deine Kommentare und Feedback oder eine Kontaktaufnahme.

Dein Birte-Selbst

Birte S. Kraft

Birte S. Kraft
HP Psych, Coach (Bilderstellen, Mapping u.a.)
Birte.s.kraft@gmail.com
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Literatur